Probleme des Schuldverschreibungsgesetzes

Das Schuldverschreibungsgesetz enthält Regelungen zu Gesamtemissionen von Schuldverschreibungen. Die Reform des Schuldverschreibungsgesetzes im Jahr 2009 sollte es sanierungsfähigen Unternehmen prinzipiell erleichtern, sich finanziell zu restrukturieren. Die Interessen der kleinen Anleihegläubiger sind dabei auf der Strecke geblieben. Die Lasten der Restrukturierung verteilen sich mehr als ungleichmäßig, nämlich schlicht einseitig auf die Schultern der kleinen Anleihegläubiger. Unternehmen kaufen sich gezielt in destressed Anleihen günstig ein und beeinflussen Beschlüsse.

Für diese vom Gesetzgeber sicherlich unbeabsichtigte Fehlentwicklung sind einige Faktoren von entscheidender Bedeutung:

Anonymität der Anleger

Es gibt kein Verzeichnis, in dem Anleger mit Namen aufgeführt werden. Selbst die Clearstream weiß nur, bei welchen Depotbanken Anleihen gehalten werden. Die dadurch entstandene Anonymität der Anleger verhindert den Austausch unter den Anlegern. Zudem ist nach dem Schuldverschreibungsgesetz für Beschlussfassungen der Anleihegläubigerversammlungen teils ein sehr geringes Quorum ausreichend. Das lässt faktisch Minderheitsentscheidungen zu, wenn es sie nicht sogar fördert. Dazu genauer:

beschlussfähige Gläubigerversammlungen durch den Anleihegläubiger faktisch nicht durchsetzbar

Einzig und allein die Gläubigerversammlung gibt den Anleihegläubigern die Möglichkeit, sich untereinander zu verständigen und Beschlüsse zu fassen. Zu einer solchen Versammlung kann nur der Emittent (oder, falls vorhanden, der gemeinsame Vertreter) laden. Nur eine qualifizierte Minderheit von 5 Prozent der Anleihegläubiger kann vom Schuldner die Einberufung der Gläubigerversammlung verlangen. Angesichts der Anonymität ist dies gerade für Kleinanleger faktisch nicht durchsetzbar. Weigert sich der Schuldner, muss der Kleinanleger sogar gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um selbst einladen zu dürfen. Dann steht er aber vor einem weiteren Problem: Der Schuldner kann gegen seinen Willen nur zur Einberufung einer sog. ersten Gläubigerversammlung gezwungen werden. Diese ist aber nur beschlussfähig, wenn 50 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten werden, was praktisch nie erreicht wird. Eine weitere Versammlung, für die grundsätzlich kein Anwesenheitsquorum mehr erforderlich wäre, können die Anleihegläubiger nicht durchsetzen. Und damit ist das Recht der Anleihegläubiger, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, auch schon wieder erschöpft. Es handelt sich um einen Papiertiger, der keine echten Zähne hat. Praktisch ist es so gut wie ausgeschlossen, dass ein Anleihegläubiger die Einberufung einer beschlussfähigen Versammlung erreicht.

Mehrheitsentscheidungen von Minderheiten

Das neue Schuldverschreibungsgesetz macht zudem Mehrheitsentscheidungen möglich, die im Extremfall von nur 18,75 Prozent des ausstehenden Anleihekapitals getroffen werden – also umgangssprachlich eigentlich einer Minderheit. Wenn die erste Gläubigerversammlung nicht beschlussfähig war, weil weniger als 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten waren, kann der Emittent eine zweite Gläubigerversammlung einberufen. Wenn er daran ein Interesse hat (weil er z. B. Sanierungsbeschlüsse fassen lassen möchten), wird er dies auch regelmäßig tun. Diese zweite Versammlung ist grundsätzlich immer beschlussfähig und entscheidet mit der einfachen Mehrheit der Stimmen. Ganz wesentliche Beschlüsse (wie z. B. Verzichte oder Stundungen) erfordern, dass wenigstens 25 % der Schuldverschreibungen vertreten werden und von diesen 75 % den vorgeschlagenen Beschlüssen zustimmen, das entspricht gerade einmal 18,75 Prozent aller ausstehenden Schuldverschreibungen. Aufgrund dieser geringen Quoren war es beispielsweise möglich, Forderungsverzichte der Anleihegläubiger in Höhe von 90 % bei Smart Solutions Holding GmbH durchzusetzen. Dieses Abstimmungsergebnis ist insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Absicherung wirtschaftlich kaum erklärbar.

Leider wird häufig auch das Amt des gemeinsamen Vertreters von der Emittentin in ihrem Sinne genutzt, um so die Anleihegläubiger zu entmündigen und die Restrukturierung einseitig zu Lasten der Anleihegläubiger durchzusetzen. Dazu bestimmt die Emittentin oft schon in den Anleihebedingungen einen ihr genehmen gemeinsamen Vertreter. Im Fall „Laurèl“ hat der gemeinsame Vertreter ohne Ermächtigung durch eine Gläubigerversammlung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens einem Insolvenzplan zugestimmt, bei dem die Anleihegläubiger wirtschaftlich mit ihrer „Quote“ im Vergleich zur Geschäftsführung mehr als das Zehnfache zahlten.

Wir schlagen daher vor, dass das Schuldverschreibungsgesetz vollständig überarbeitet wird. Folgende Punkte sind zwingend anzupassen:

  • Änderung der Quoren für Einberufungsverlangen (z.B. auch nach Köpfen)
  • Einführung eines Selbsteinberufungsrechts durch z. B. Anleihegläubiger von 5 % der Schuldverschreibungen
  • Ausweitung der Informationsrechte der Anleihegläubiger. Insbesondere ist die in § 16 Schuldverschreibungsgesetz formulierte Auskunftspfllicht des Schuldners auszuweiten und zu konkretisieren.
  • Verbot der Tätigkeit eines gemeinsamen Vertreters im Falle von Interessenskonflikten
  • Ausweitung des Katalogs der potentiellen Interessenkonflikte beim gemeinsamen Vertreter gemäß § 7 Abs. 1 Schuldverschreibungsgesetz
  • Einschränkung von Stimmrechten (n (z.B. Stimmrecht erst ab einer Mindesthaltedauer der Anleihen von z.B. einem halben Jahr, Stimmrechtsverbote bei unternehmensnahen Personen))