Umsatzrückgang, Downgrading, Kurssturz: Die Traditionsreederei Rickmers Holding AG steuert weiter in die Krise

Die Rickmers Holding AG ist angeschlagen.

Die „Sandy Rickmers“, ein Containerschiff der Rickmers-Gruppe: Maritime Services, nach der Kollision mit einem norwegischem Chemikalientanker im Nord-Ostsee-Kanal am 4.2.2013 (Foto: Olaf Kuhnke)

Das traditionsreiche Familienunternehmen, die Rickmers-Reederei, ist schwer angeschlagen: Nachdem bereits am vergangenen Freitag (ausgerechnet der 13. des Monats!) die Rickmers Holding AG ihre Finanzkennzahlen des ersten Quartals 2016 veröffentlicht hatte, folgte gestern die Herabstufung durch die Creditreform Rating AG von „B- (watch)“ auf „CCC“. Und es sieht nicht gerade rosig aus: Der erwirtschaftete Umsatz ist mit 129,3 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr um 7,1 Prozent gesunken, das EBITDA (also der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte) hat sich sogar von 69,9 auf 50,9 Millionen Euro um 26,8 Prozent verringert.

Fast zeitgleich sackte auch der Kurs der Rickmers-Anleihe 2013/18 (WKN: A1TNA3) erneut ab, nachdem er sich erst mühsam aus dem bisherigen Tiefststand Anfang April von 32 Prozent hatte herausmanövrieren können. Doch dann fiel der Kurs gestern auf 38,5 Prozent zurück. Die Anleihegläubiger der Rickmers Holding AG mussten damit innerhalb eines Jahres einen doch enormen Kurssturz von rund 90 Prozent auf nun unter 40 Prozent hinnehmen und scheinen zusehends das Vertrauen zu verlieren.

Die Ratingagentur Creditreform sieht die Gründe für die Abwertung vor allem in der nach wie vor angespannten Marktsituation in der Containerschifffahrt, worauf sich die Ergebnisentwicklung der Rickmers-Gruppe zurückführen lässt:

„Die Überkapazitäten halten Charterraten auf einem niedrigen Niveau, wodurch das operative Ergebnis der Rickmers Gruppe zunehmend belastet wird. Dementsprechend sehen wir auch das Marktumfeld für potenzielle Kapital- und Refinanzierungsmaßnahmen schwächer, als zu Beginn des Jahres.“

Die Rickmers-Anleihe hat ein Volumen von über 275 Millionen Euro (bei 8,875 Prozent Zinsen) und wird 2018 fällig, prekärer Weise zeitgleich mit einem Kreditpaket in Höhe von über 870 Millionen US-Dollar (etwa 780 Millionen Euro). Über eine Anschlussfinanzierung wird mit den Banken verhandelt und auch eine Refinanzierung der ausstehenden Anleihe ist wahrscheinlich. Mit einer Nettofinanzverschuldung vom 7,3-fachen des EBITDA sind diese Zahlen noch immer schwindelerregend hoch. Und das, obwohl es der Rickmers-Gruppe gelungen ist, ein weiteres Kreditpaket von 520 Millionen US-Dollar bis 2020/21 zu verlängern, welches hier bereits nicht mehr miteinbezogen wurde. Auch für die Zukunft scheint sich das Unternehmen keine Illusionen zu machen und rechnet nach eigenen Angaben für 2016 insgesamt mit einem EBITDA, das unter dem des Vorjahres in Höhe von 253,1 Millionen Euro liegen werde. Die Krise des Schifffahrtmarktes verdammt selbst große Linienreedereien von Containerschiffen dazu, in der Verlustzone zu dümpeln, und genau an diese Unternehmen verchartert die Rickmers Gruppe ihre Schiffe. Durch margenstarke Charterverträge, die bald auslaufen und sicherlich nur zu schlechteren Konditionen neu abgeschlossen werden können, erwarten Rickmers Preiseinbrüche von bis zu 50 Prozent.

Bereits als die Anleihe 2013 begeben wurde, hatte die weltweite Finanzkrise längst auch die Schifffahrtsbranche erreicht. Treibstoffpreise stiegen bei gleichzeitig fallenden Frachtraten und sorgten nebst Überkapazitäten für fallende Preise. Letztlich wirkte sich das auch auf die Schiffsfinanzierung aus und zwang Schifffahrtsunternehmen dazu, nach neuen Finanzierungsquellen zu suchen. Um frisches Geld in die Kassen zu spülen bot sich die Emission einer Unternehmensanleihe an, denn trotz der üppigen Verzinsung in Höhe von 8,875 Prozent hätte Rickmers für Bankkredite gleichen Volumens erheblich höhere Zinsen zahlen müssen. Im Unterschied zu Anleihegläubigern lassen sich Banken die Risiken nun einmal teuer bezahlen – sicherlich auch, weil sie sich über das Ausfallrisiko stärker bewusst sind.

Die konkreten Auswirkungen der Krise machten sich bei der Rickmers-Gruppe bereits Anfang 2014 bemerkbar, als sechs eigene Schiffe Insolvenz anmelden mussten, die über Fonds finanziert wurden – Anleger reichten damals Schadensersatzklagen ein.

Mitte Dezember 2015 führte dann ein kritischer Artikel des Handelsblattes zu plötzlichen Kurseinbrüchen, indem er Zweifel an den Wertansätzen der Flotte weckte, die jedoch durch Rickmers CFO Mark-Ken Erdmann beruhigt werden konnten.

Und auch eine für den Jahreswechsel 2015/2016 geplante „breiter angelegte kapitalmarktgestützte Eigenkapitaltransaktion“ scheiterte, wodurch der Börsengang des Unternehmens auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Dies erklärte Erdmann im Interview mit dem Finance-Magazin vom 25.4.2016. Die Pläne Rickmers zur Bewältigung der Krise konzentrieren sich nun nach Aussage Erdmanns auf die „Neuordnung der Fremdkapitalseite“ und die „Stärkung [der] Liquiditätsposition“ mit Hilfe der vorzeitigen Verlängerung von Kreditlaufzeiten.

Rickmers Krisenplan sieht außerdem vor, die Schiffe anstatt der avisierten 15 bis 16 Jahre bis zu 25 Jahre fahren zu lassen, um die Liquiditätsreserven aufzufüllen. Es ist fraglich, ob das aufgrund der dann steigenden Versicherungsprämien tatsächlich auch wirtschaftlich ist. Die Flotte der Rickmers-Gruppe besteht größtenteils aus mittelgroßen Schiffen, es mangelt ihr hingegen an hocheffizienten großen Containerfrachtern. Hier müsste das Unternehmen eigentlich weiterhin investieren und die Erneuerung und Vergrößerung der Flotte vorantreiben. Damit wurde auch 2015 zunächst begonnen und die Flotte konnte von 110 auf 130 Schiffe vergrößert werden. Doch Verschuldung und Kapitaldienst schränken die Investitionsmöglichkeiten der Rickmers-Gruppe stark ein.

Ein weiterer Teil des Gesamtplanes ist die geplante Allianz mit dem Wettbewerber E.R. Schifffahrt in der maritimen Servicesparte, die Mitte April angekündigt wurde. Das Joint Venture könnte auf die Schiffsvermietung ausgeweitet werden mit dem Ziel der weiteren Flottenvergrößerung und um dadurch Kosten einzusparen. Ein solches neues Unternehmen würde dann zusammen 222 Schiffe betreuen, 127 von der Maritime Service der Rickmers-Gruppe und 95 von der E.R. Schifffahrt.

Die E.R. Schifffahrt (gegründet von Erck Rickmers, dem Bruder des Gründers und Geschäftsführers der Rickmers Holding AG, Bertram Rickmers) ist einer der weltweit größten Bereederer für Containerschiffe.

Die Anleihe der Rickmers Holding AG ist neben den Schuldverschreibungen von Scholz, German Pellets und Ekosem Agrar einer der dicksten Fische im Segment der Mittelstandsanleihen. Leider lässt ein Blick auf die desaströse Entwicklung der Letztgenannten nichts Gutes hoffen:

Geschützt durch laxe Ad-hoc-Meldepflichten für Emittenten von Mittelstandsanleihen gelang es Scholz und German Pellets, ihre massiven Probleme lange Zeit vor Presse und Investoren herunter zu spielen. Denn anders als im stark regulierten Aktienmarkt ist hier die Pflicht, kursrelevante Unternehmensnachrichten unverzüglich zu veröffentlichen, weit weniger streng und sorgt für eine immense Intransparenz. Die so erspielte Zeit ermöglichte es in erster Linie den Großinvestoren, sich zurückzuziehen und das eigene Investment zu sichern. Das Nachsehen hatten einmal mehr die Anleihegläubiger. Doch die letzten Kurseinbrüche bei Rickmers zeigen auch, dass die Investoren zunehmend misstrauischer werden und empfindlicher reagieren.

Die Besatzung der "Rickmer Rickmers" von 1908.

Besatzung der „Rickmer Rickmers“, 1908 (Foto: RICKMER RICKMERS – Stiftung des Vereins Windjammer für Hamburg)

Der Name der Familie Rickmers, die auf eine inzwischen 180 Jahre währende Tradition als Reeder und Pioniere der Handelsschifffahrt zurückblicken kann, ist fest verbunden mit dem Frachtsegler „Rickmer Rickmers“. Der im Hamburger Hafen liegende Großsegler ist Touristenattraktion und heute nicht nur Symbol des maritimen Erbes der Hansestadt, sondern darüber hinaus der deutschen Seefahrt. Doch bereits bei ihrem Stapellauf 1896 war sie als Segelschiff in der Handelsschifffahrt bereits überholt. Schnittige Dampfschiffe eroberten die Handelsrouten und drängten langsamere Schiffe wie die „Rickmer Rickmers“ vom Markt, die dann auch bald durch Verkauf aus der Rickmers-Flotte ausschied.

Es bleibt zu hoffen, dass die Pläne der Rickmers-Gruppe zur Bewältigung der Krise aufgehen werden und sie sich aus der derzeitigen Krise herausarbeiten kann. Vor allem aber ist zu hoffen, dass dies nicht auf dem Rücken der Anleihegläubiger geschehen wird. Mehr als hundert Jahre nach Entstehung des obigen Fotos sollten sie sich nicht in der Figur des Schiffsjungen der „Rickmer Rickmers“ wiedererkennen müssen, der sich an einen Rettungsring des Hamburger Traditionsunternehmens klammert.

Bleibt den Anleihegläubigern der Rickmers Gruppe nur ein Rettungsring?