Vergütung des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger bei der Vertretung im Insolvenzverfahren
Dass ein gemeinsamer Vertreter aller Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren seine Arbeitskraft und sein Wissen nicht unentgeltlich zur Verfügung stellen will, kann und darf, sollte allen Betroffenen eigentlich klar sein. Unklar war in der Vergangenheit lediglich, wer für diese Kosten aufkommen muss. Die herrschende Meinung, insbesondere auch die mehrerer bekannter Insolvenzverwalter, war, dass die Vergütung aus der Insolvenzmasse des Unternehmens gezahlt werden muss.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2017 (IX ZR 87/16) jedoch anders und zum Nachteil der Anleihegläubiger entschieden: Die Vergütung des bestellten gemeinsamen Vertreters aller Anleihegläubiger sei keine Masseverbindlichkeit. Gemäß dem Bundesgerichtshof lassen die Normen der Insolvenzordnung eine Qualifizierung des Vergütungsanspruches des im Insolvenzverfahren bestellten gemeinsamen Vertreters als Masseverbindlichkeit nicht zu. Der Vergütungsanspruch entstehe aufgrund der Bestellung des gemeinsamen Vertreters durch die Gläubigerversammlung. Daher sei er auch durch die Anleihegläubiger zu tragen. Es obliege jetzt dem Gesetzgeber, hier Abhilfe zu schaffen und den Vergütungsanspruch des bestellten gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren besser abzusichern. Bis hier Abhilfe geschaffen wird, bleibt der Vergütungsanspruch bei den Anleihegläubigern „hängen“.
Der gemeinsame Vertreter
Der Umfang der Aufgaben und die Befugnisse des gemeinsamen Vertreters richten sich nach den Bestimmungen des SchVG (Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen). Der gemeinsame Vertreter wird in der Gläubigerversammlung mehrheitlich gewählt und vertritt innerhalb des gesetzlichen Rahmens im Anschluss alle Anleihegläubiger. Er ist allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Nur der gemeinsame Vertreter ist gemäß § 19 Abs. 3 SchVG berechtigt, alle Forderungen der Gläubiger zum Insolvenzverfahren anzumelden.
Bei der Tätigkeit als gemeinsamer Vertreter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt es sich um eine typische anwaltliche Tätigkeit. Dies wurde auch durch die Rechtsanwaltskammer Nürnberg bestätigt. Folglich sind nur Rechtsanwälte und Inkassounternehmen zur Vertretung der Gläubiger im Insolvenzverfahren gemäß der Insolvenzordnung berechtigt. Beide unterliegen bei der Berechnung ihrer Vergütung dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Es ist daher eine auf der Hand liegende Schlussfolgerung, die Berechnung der Vergütung des bestellten gemeinsamen Vertreters der Gläubiger ebenfalls auf Grundlage des RVG vorzunehmen.
Die Berechnung der Gebühren gemäß RVG
Der Berechnung der Gebühren gemäß RVG liegt ein Gegenstandswert zugrunde. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Nennwert der einzelnen Forderung einschließlich der Nebenforderungen. Hierzu gehören auch Zinsen und erstattungsfähige Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Ergebnis bedeutet das, dass man für den Gegenstandswert vom Gesamtvolumen aller vom gemeinsamen Vertreter für die jeweilige Serie von Anleihen angemeldeten Forderungen ausgehen wird. Und ähnlich wie bei einer sogenannten Gesamthandsgemeinschaft, deren Mitgliedern ein bestimmtes Vermögen gemeinschaftlich zusteht, dürfte wegen der Vielzahl der Anleihegläubiger eine Erhöhungsgebühr anfallen. Diese müsste dann von jedem Anleihegläubiger entsprechend seines Anteils vergütet werden. Aufgrund der Degression der Gebühren ist das für den jeweiligen Anleihegläubiger sehr viel kostengünstiger, als wenn seine Forderung als Einzelgegenstandswert zugrunde gelegt wird.
Fazit
Es liegt jetzt am Gesetzgeber, die Frage der Vergütung des gemeinsamen Vertreters zu regeln. Das hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt.
Nach der derzeitigen Rechtslage, wie der Bundesgerichtshof sie festgestellt hat, müssen die Anleihegläubiger damit rechnen, dass sie die Vergütung des gemeinsamen Vertreters zu tragen haben. Dabei wird diese in erster Linie von der Insolvenzquote abgezogen werden, die die Gläubiger erhalten sollen.
„Nach der derzeitigen Rechtslage, wie der Bundesgerichtshof sie festgestellt hat, müssen die Anleihegläubiger damit rechnen, dass sie die Vergütung des gemeinsamen Vertreters zu tragen haben. “
Nur was sollte die Anspruchsgrundlage dafür sein?
– ein Vertrag zwischen den einzelnen Anleihegläubiger und dem Gemeinsamen Vertreter fehlt. Wer sollte auch Vertragspartner sein, wenn die Anleihe während der Tätigkeit des Vertreters veräußert würde? Bestenfalls könnte man die Stimmen, die auf der Gläubigerversammlung ausdrücklich für die Bestellung des Gemeinsamen Vertreters stimmten, als Vertrag betrachten. Aber selbst hier, wären in den „Altfällen“ Einreden erfolgreich, da ein finanzieller Anspruch gegen sie nicht zu erkennen und zu erwarten war.
– §7 Abs. 6 SchVG bestimmt den Anleiheschuldner als Verpflichteten, nicht die Gläubiger. Damit sind auch eventuelle andere Ansprüche gegen die einzelnen Gläubiger aufgrund von Rechtsvorschriften durch den Vorrang des spezifischeren Rechts erledigt.
– Eine Geschäftsführung ohne Auftrag könnte noch in Frage kommen, wenn die Tätigkeit des Gemeinsamen Vertreters im Interesse des jeweiligen einzelnen Anleihegläubigers gewesen ist. Nur gerade im Insolvenzverfahren stand bereits immer schon der Vergütungsanspruch des Gemeinsamen Vertreters gegen die Interessen der Anleihegläubiger an einer möglichst hohen Quote. Folglich wäre hier nachzuweisen, welchen zusätzlichen Nutzen der Gemeinsame Vertreter für die Anleihegläubiger gehabt hat.
– Ein Anspruch aus Eigentümer- und Besitzerverhältnis erübrigte sich offensichtlich.
Sicherlich müssen Anleihegläubiger damit rechnen, dass sie gedrängt werden, nachträglich Verträge, und sei es auch nur durch konkludentes Handeln, mit den Gemeinsamen Vertreters abzuschließen. Aber eine nachträgliche Verpflichtung der einzelnen Anleihegläubiger zur Zahlung der Vergütung des Gemeinsamen Vertreters im Insolvenzfall lässt sich für mich nicht erkennen; kein Vertrag, keine gesetzliche Verpflichtung, kein Interesse der Anleihegläubiger und kein Anspruch aus Eigentümer-/Besitzerverhältnis – kurz: keine Anspruchsgrundlage