Vor- und Nachteile von Eigenverwaltung und Insolvenzplan – das Beispiel KTG Energie AG

In letzter Zeit wurde viel über die Gläubigerversammlungen der KTG Energie am 2. Februar dieses Jahres in Neuruppin geschrieben. Hintergrund ist, dass die Zech-Gruppe hier neue Wege gesucht und womöglich auch gefunden hat, das Unternehmen zu übernehmen und die Gläubiger im Insolvenzverfahren leer ausgehen zu lassen.

Was ist eigentlich Eigenverwaltung?

Der frühere Normalfall im Insolvenzverfahren war, dass eine Fremdverwaltung durch einen vom Schuldnerunternehmen unabhängigen Insolvenzverwalter durchgeführt wurde. Dieser erhielt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin und die Schuldnerin hatte nicht mehr viel zu sagen.

Ende 2011 aber wurde das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen veröffentlicht (kurz: ESUG). Ein Ziel, das der Gesetzgeber mit dem ESUG verfolgte, war die Stärkung der Eigenverwaltung. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr der Regelfall werden. Die Eigenverwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf einen vom Schuldnerunternehmen unabhängigen Insolvenzverwalter übertragen wird, sondern diese bei der Schuldnerin verbleibt. Ihr wird ein sogenannter Sachwalter zur Seite gestellt, der aber in erster Linie nur eine Überwachungsfunktion hat. Sofern er Anzeichen für eine Gläubigerbenachteiligung durch die Eigenverwaltung erkennt, hat er den Gläubigerausschuss und das Insolvenzgericht davon zu unterrichten bzw. die Gläubiger selbst, wenn ein Gläubigerausschuss nicht bestellt worden ist. Die Gläubigerversammlung kann beantragen, dass das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung wieder aufhebt. Deswegen ist es wichtig, dass die Gläubiger entsprechend informiert werden.

In der Regel wird der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung schon zusammen mit dem Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. Die Anordnung durch das Insolvenzgericht erfolgt jedoch erst in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bis dahin, also während des Eröffnungsverfahrens, kann das Gericht aber schon vorläufige Maßnahmen anordnen. Unter anderem kann es wohl auch die Schuldnerin zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigen. Masseverbindlichkeiten sind solche, die bei der Verteilung der Insolvenzmasse (also des Schuldnervermögens) im Insolvenzverfahren vorrangig vor den „normalen“ Insolvenzforderungen bedient werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Schuldnerin für die Fortführung ihres Unternehmens notwendige Kredite aufnehmen kann. Wäre diese Möglichkeit nicht eröffnet, wären Kreditgeber einfache Insolvenzgläubiger und erhielten lediglich eine Insolvenzquote auf ihre Forderung. Mit einem großen Teil ihrer Forderung würden sie dann ausfallen. Unter diesen Bedingungen wäre es nahezu unmöglich, jemanden zu finden, der der Schuldnerin nach Stellung des Insolvenzantrags noch einen Kredit gewährt. Damit wäre aber auch die Fortführung des Schuldnerunternehmens gefährdet, was dem Zweck des ESUG widerspricht.

Besonderheit: Der Insolvenzplan

Im regulären Insolvenzverfahren kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Insolvenzplans beauftragen. Im Rahmen der Eigenverwaltung hat die Schuldnerin selbst die Möglichkeit, einen solchen Plan zu erstellen. In diesem regelt sie unter anderem, welche Forderungen von Gläubigergruppen in welcher Höhe bedient werden. Sie muss dabei allerdings nicht das gesamte Vermögen verteilen, da schließlich eine Fortführung des Unternehmens angestrebt wird und auch dafür noch Gelder zur Verfügung stehen müssen. Bei der Gestaltung des Plans ist sie sehr frei.

Der Insolvenzplan muss aber von der Gläubigerversammlung angenommen werden. Sie stimmt in Gruppen über ihn ab. Das heißt, innerhalb jeder Gruppe muss sowohl die Mehrheit der Köpfe als auch die Summenmehrheit der von dieser Gruppen angemeldeten (und festgestellten) Forderungen für den Plan stimmen, damit er zustande kommt.

Wie diese Gruppen gebildet werden, bleibt dabei im Großen und Ganzen dem Ersteller des Insolvenzplans überlassen, bei der Eigenverwaltung also der Schuldnerin. Im Gesetz ist nur geregelt, dass Gläubiger mit Forderungen unterschiedlichen Rangs verschiedenen Gruppen angehören müssen. Es gibt also eine Mindestanzahl von Gruppen. Aber darüber hinaus können weitere Gruppen gebildet werden. Wegen unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen können Gläubiger trotz desselben Rangs unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden.

Die auf den ersten Blick unbedeutende Gruppenbildung hat weitreichende Konsequenzen für das Ergebnis der Abstimmung. Der Insolvenzplan wird vom Insolvenzgericht nur bestätigt, wenn ihm alle Gruppen zugestimmt haben. Aber: Sofern die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt hat, darf das Insolvenzgericht die Zustimmung der übrigen Gruppen ersetzen, wenn diese nicht schlechter gestellt werden als im regulären Insolvenzverfahren ohne Insolvenzplan. Die Gruppen sind dabei im Verhältnis zueinander gleichwertig. Es kommt nicht darauf an, welche Forderungssumme die jeweilige Gruppe vertritt. Je mehr (ggf. kleine und im Hinblick auf ihre Forderungen gegen die Schuldnerin unbedeutende) Gruppen gebildet werden, desto höher ist daher die Gefahr, dass die Zustimmung z. B. der größten Gläubigergruppe durch das Insolvenzgericht ersetzt wird.

Was ist bei der KTG Energie AG passiert?

Die KTG Energie AG hatte eine Anleihe über 50 Mio. € ausgegeben. Die Anleihegläubiger stellten damit die bei Weitem größte Gläubigergruppe. Dennoch mussten sie mitansehen, wie ein Plan erstellt und letztlich vom Gericht bestätigt wurde, der ihnen gerade einmal 2,5 % ihrer Forderungen zugestand. Die Anleihegläubiger selbst hatten den Plan natürlich abgelehnt, aber die Mehrheit der anderen Gruppen hatte zugestimmt und das Insolvenzgericht hatte die Zustimmung der Gruppe der Anleihegläubiger ersetzt.

Drahtzieher in diesem Verfahren ist die Zech-Gruppe. Sie wollte die KTG Energie AG übernehmen und sich dazu von deren Verbindlichkeiten (insbesondere den Forderungen der Anleihegläubiger über mehr als 50 Mio. €) befreien. In einem ersten Schritt erwarb die Zech-Gruppe darum mehr als 50 % der Aktien der KTG Energie. Das gewährte ihr ein erhebliches Mitspracherecht. So ließ sie in Folge den Vorstand auswechseln und man kann vermuten, dass der neue Vorstand, bestehend aus Rechtsanwälten einer bekannten Wirtschaftskanzlei, die Eigenverwaltung im Sinne der Zech-Gruppe durchführte. Insbesondere erstellte er den besagten Insolvenzplan, der für die Anleihegläubiger gerade einmal 2,5 % Quote vorsah.

Die Gruppen für die Abstimmung wurden dabei wie folgt gebildet: eine Gruppe war die der Aktionäre. Da die Zech-Gruppe 50 % der Aktien erworben hatte, hatte sie hier die Mehrheit. Alle anderen Gläubiger hätte man nach dem Gesetz in einer Gruppe zusammenfassen können, weil sie Forderungen im Rang des § 38 InsO hatten. Da die Anleihegläubiger mit Forderungen über 50 Mio. € in dieser Gruppe die Mehrheit gehabt hätten, hätte die Gruppe gegen den Plan gestimmt. Eine Ersetzung ihrer Zustimmung durch das Insolvenzgericht wäre nicht in Betracht gekommen, da nicht mehr Gruppen zugestimmt als abgelehnt hätten. Das Ergebnis wäre allerdings nicht im Sinne der Zech-Gruppe gewesen. Deshalb wurden stattdessen mehrere Gruppen für die Gläubiger mit Forderungen im Rang des § 38 InsO gebildet, die Anleihegläubiger waren nur eine davon. So kam es, dass Gläubiger mit Forderungen in Höhe von 50 Mio. € den Plan zwar ablehnten, aber ihre Zustimmung vom Insolvenzgericht ersetzt wurde. Das Insolvenzgericht wäre an dieser Entscheidung nur gehindert gewesen, wenn glaubhaft gemacht worden wäre, dass die Anleihegläubiger im regulären Insolvenzverfahren eine höhere Quote erhalten hätte, dass sie also durch den Insolvenzplan benachteiligt werden. Diese Glaubhaftmachung ist aber nach Überzeugung des Insolvenzgerichts den Anwesenden nicht gelungen. Die Schuldnerin selbst hatte ein Gutachten vorgelegt, wonach die Anleihegläubiger mit gar keiner Quote im regulären Insolvenzverfahren hätten rechnen können. Mehrere anwesende Gläubigervertreter versuchten, dieses Gutachten zu widerlegen, aber sie konnten das Gericht nicht überzeugen.

Darüber hinaus gab es noch einen ganz besonderen Clou: Die Gläubigerversammlung hatte auch darüber abzustimmen, ob sie die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragt. Da die Anleihegläubiger die Mehrheit vertraten, hätte der Beschluss der Gläubigerversammlung eigentlich zustande kommen müssen. Die Zech-Gruppe, die der Gesellschaft ein Massedarlehen in Höhe von 25 Mio. € gewährt hatten, war als Massegläubiger von der Abstimmung nach dem Gesetz eigentlich ausgeschlossen. Der Clou bestand nun darin, dass die Zech-Gruppe auf ihre vorrangige Befriedigung als Massegläubigerin verzichtete und somit als normale Insolvenzgläubigerin mitabstimmen durfte. Damit sie aber auch definitiv keinen Nachteil davontrüge, stellte sie diesen Verzicht unter die auflösende Bedingung, dass der Insolvenzplan nicht zustande kommt. In dem Fall wollte sie also doch wieder vorrangig bedient werden. Die Zech-Gruppe konnte mit diesem Schachzug nur gewinnen, sie ging kein Risiko ein. Es bleibt die Frage, ob ein solches Vorgehen zulässig ist oder der Zech-Gruppe das Stimmrecht hätte aberkannt werden müssen. Das Insolvenzgericht hat sich in diesem Fall für ein Stimmrecht entschieden, andere Gerichte könnten bei zukünftigen Fällen evtl. anders entscheiden.

Fazit

Anders als im regulären Insolvenzverfahren stehen bei der Eigenverwaltung nicht mehr die Interessen der Gläubiger im Vordergrund, sondern die der Schuldner. Das ist eine ganz erhebliche Verschiebung der im Insolvenzverfahren geltenden Werte. Die Gläubiger erhalten nur noch einen Minimalschutz. Das wirkliche Ziel des Gesetzgebers ist es nunmehr, insolventen Unternehmen Sanierungen zu ermöglichen, um so Zerschlagungen zu verhindern. Ob dies auf Kosten der Gläubiger geht, scheint dabei nicht mehr wichtig zu sein.