CARPEVIGO Holding AG: Gesetzwidrige Beschlüsse werden zur Tagesordnung
Am 11. Mai fanden Gläubigerversammlungen der Wandelanleihe II und des Energy Bond I der Carpevigo Holding AG sowie der Unternehmensanleihe SOLAR I der Carpevigo AG statt. In einer Pressemitteilung vermeldete die Carpevigo nun, dass sowohl die Gläubiger der Wandelanleihe II als auch die Gläubiger des Energy Bond I die Verlängerung ihrer Anleihen um 5 Jahre sowie eine Zinsanpassung ab dem 1.7.2016 beschlossen hätten.
Anfechtungsklagen angekündigt
Sie weist im Übrigen darauf hin, dass Gläubiger der Unternehmensanleihe Anfechtungsklagen angekündigt hätten und darum bei dieser Versammlung keine Beschlüsse gefasst worden seien. Man werde nunmehr eine zweite Versammlung für die Gläubiger dieser Anleihe einberufen.
Wenn man wissen möchte, warum die Beschlüsse anfechtbar (oder sogar nichtig) sein könnten, muss man sich nur die Einladungen der Carpevigo zu den Gläubigerversammlungen ansehen: Es werden die einzelnen Anleihegläubiger zwar geladen, ihr Stimmrecht jedoch sollen sie nicht selbst ausüben dürfen. Hierfür seien die gemeinsamen Vertreter im Amt: der Liechtensteiner Fondsmanager Daniel Gonzenbach sowie der Münchner Rechtsanwalt Dr. Franz Wagner. Auf den Gläubigerversammlungen 2013 gewählt seien sie nunmehr „allein zur Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger berechtigt“ und dies soll auch das Stimmrecht umfassen.
Das ist absurd! Um beschlussfähig zu sein, sollen die einzelnen Gläubiger in die bayrische Provinz reisen. Bei der Abstimmung sind sie dann aber dazu verdammt, als stille Zuschauer der Show beizuwohnen? Oder noch schlimmer: Möglicherweise vertritt die Emittentin sogar die Auffassung, die Anleihen würden zu 100 Prozent auf der Versammlung vertreten sein, allein weil der gemeinsame Vertreter anwesend ist. Konsequenz wäre, dass die Gläubigerversammlung das Quorum zu 100 Prozent erfüllt, selbst wenn nicht ein einziger Gläubiger anwesend ist. Dies ist rechtlich nicht haltbar.
Entweder sind die gemeinsamen Vertreter bereits aufgrund der Beschlüsse aus dem Jahre 2013 dazu ermächtigt, den Änderungen der Anleihebedingungen zuzustimmen – dann bedarf es keiner Gläubigerversammlung – oder sie sind es nicht. Dann ist eine Gläubigerversammlung erforderlich, aber auf dieser müssten dann auch die Gläubiger selbst stimmberechtigt sein. Eine Gläubigerversammlung, auf der die Gläubiger ihr Stimmrecht nicht wahrnehmen können oder nicht einmal anwesend sein müssen, ist keine Gläubigerversammlung!
Carpevigo Wandelanleihe II: Wahl eines gemeinsamen Vertreters in den Anleihebedingungen nicht vorgesehen
Es ist zudem nicht das erste Mal, dass bei Carpevigo gegen das Schuldverschreibungsgesetz verstoßen wird. Schon die Bestellung des gemeinsamen Vertreters für die Gläubiger der Wandelanleihe II im Jahre 2013 ist wohl unrechtmäßig erfolgt. § 5 des Schuldverschreibungsgesetzes regelt, dass ein gemeinsamer Vertreter durch Mehrheitsbeschluss gewählt werden kann, aber nur wenn dies in den Anleihebedingungen des Emittenten festgelegt wurde. Im konkreten Fall der Carpevigo Wandelanleihe II ist es nun so, dass die Anleihebedingungen eine derartige Möglichkeit nicht erwähnen. Es ist auch nicht vorgesehen, die Anleihebedingungen überhaupt zu ändern, also Laufzeit, Zins etc. Ein Mehrheitsbeschluss wäre folglich nicht ausreichend gewesen. Vielmehr können Anleihebedingungen in dem Fall nur geändert und ein gemeinsamer Vertreter nur gewählt werden, wenn alle Anleihegläubiger und die Emittentin damit einverstanden sind. Das setzt voraus, dass alle Anleihen auf der Versammlung vertreten sind, das Quorum also zu 100 Prozent erfüllt ist, und dann alle dem Beschluss zustimmen. Das hat die Emittentin 2013 aber nicht erkannt oder nicht erkennen wollen. Sie ging in ihrer Einladung zur damaligen Gläubigerversammlung davon aus, dass nur 50 Prozent der Anleihen vertreten sein müssten. Nun ist es theoretisch zwar denkbar, dass trotzdem 100 Prozent der Anleihen vertreten waren und dem Beschluss zugestimmt haben, wahrscheinlich ist es jedoch nicht. Man kann daher überlegen, ob der Beschluss von 2013, Daniel Gonzenbach als gemeinsamen Vertreter zu wählen, mangels der erforderlichen Zustimmung von 100 Prozent vielleicht sogar nichtig war. Dann wäre Herr Gonzenbach überhaupt nicht legitimiert. Nichtige Beschlüsse leiden an einem so schwerwiegenden Mangel, dass sie unter keinen Umständen Wirksamkeit entfalten sollten. Wenn nicht nichtig, dann wäre der Beschluss jedenfalls anfechtbar gewesen. Das heißt, er wäre zwar unter Verstoß gegen geltendes Recht zustande gekommen, er wäre allerdings trotzdem wirksam, weil kein Gläubiger erfolgreich eine Anfechtungsklage erhoben hat.
Fazit
Vielleicht steckt hinter den Verstößen gegen das Schuldverschreibungsgesetz gar keine böse Absicht der Verantwortlichen der Carpevigo, dann sind sie aber sehr schlecht beraten worden. Und auch Herr Gonzenbach und Rechtsanwalt Dr. Wagner als gemeinsame Vertreter sollten das SchVG kennen. Hier werden Kernrechte der Anleihegläubiger ausgehebelt und das darf ein gemeinsamer Vertreter nicht unterstützen!
Sehr viel spricht dafür, dass jedenfalls die nunmehr am 11. Mai 2016 gefassten Beschlüsse anfechtbar sind und u.U. sogar nichtig.