Die Flaute ist noch nicht vorüber: Der Rickmers-Halbjahresbericht 2016
Der gestern veröffentlichte ausführliche Halbjahresbericht 2016 der Rickmers Holding AG fällt auf den ersten Blick etwas besser aus, als befürchtet wurde:
Als wichtigste Kennziffer lag der operative Cashflow bei 103,6 Millionen Euro. Das reichte aktuell noch aus, um die Zinsen in Höhe von 51,0 Millionen Euro zu zahlen. Die Nettoverschuldung sank von 1.849,1 Millionen Euro auf 1.715,1 Millionen Euro (-134 Millionen). Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EbitDA) sank mit 36,1 Prozent auf 87,7 Millionen Euro (Vorjahr: 137,4 Millionen Euro). Auf Konzernebene konnte die Rickmers-Gruppe im ersten Halbjahr einen Umsatz in Höhe von 249,3 Millionen Euro erwirtschaften und musste damit einen Rückgang um 13,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen (Vorjahr: 289,6 Millionen Euro). Somit ergab sich ein Fehlbetrag von 131,5 Millionen Euro. Im Halbjahresbericht 2015 konnte noch ein positives Ergebnis von 2,6 Millionen Euro gemeldet werden.
Trotzdem kann auch die Rickmers-Gruppe der Schifffahrtskrise nicht entkommen. Das Management bestätigt im aktuellen Halbjahresbericht die düstere Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2016. Die Gruppe erwartet ein weiterhin deutlich unter dem Geschäftsjahr 2015 liegendes operatives Ergebnis. Dank Überkapazitäten, Verdrängungswettbewerb und dem Preisverfall der Charterraten für Schiffe und Frachtpreise für den Transport von Containern und Rohstoffen hat sich die Krise mit hohen Verlusten zum Dauerzustand entwickelt. Vereinzelt war zwar vorsichtiger Optimismus erkennbar, dass bald eine zyklische Erholung eintreten könnte. Doch danach sieht es ganz und gar nicht aus. Die Branche ist noch immer verkatert – nur, dass sich inzwischen keiner mehr an die letzte Party erinnern kann…
Der Halbjahresbericht 2016 – eine Einschätzung
Zum 30. Juni 2016 wurden die Schiffe zwar neu bewertet und um rund 124 Millionen im Wert nach unten berichtigt. So weit, so gut. Doch in der aktuellen Marktsituation erscheinen die veranschlagten verbliebenen „erzielbaren Beträge“ leider als utopisch. So werden die am Spotmarkt beschäftigten 4.250 TEU Schiffe anhand der theoretischen DCF-Methode mit 30 Millionen Euro pro Stück bewertet, obwohl diese Größenklasse zuletzt mit einem tatsächlichen Marktwert von ca. 8 bis 12 Millionen US-Dollar gehandelt wurde. Marktteilnehmer stellen sich die Frage, ob diese Schiffsbewertung angemessen ist.
Wie berichtet stellt die Rickmers Maritime (Singapur) ein weiteres Problem dar: Zehn der insgesamt 16 Schiffe der Panamax-Klasse fahren unterhalb der Break-even-Rate für den Kapitaldienst. Damit verdienen sie weder Zinsen noch Tilgung. Ihre Einnahmen reichen teilweise noch nicht einmal mehr für die Schiffsbetriebskosten. Um wirtschaftlich eingesetzt werden zu können, müssten die Charterraten der Panamax-Schiffe bei mindestens 14.000 US-Dollar pro Tag liegen. Aktuell bewegen sich diese jedoch im Bereich um die 6.000 US-Dollar/Tag. Hinzu kommt, dass in den kommenden 12 bis 30 Monaten die anderen, bisher noch kostendeckenden Charter der übrigen sechs Schiffe auslaufen. Rickmers Trust Management (RTM), der Trust-Manager der Rickmers Maritime, ist derzeit bemüht, sich mit Stillhaltevereinbarungen etwas Zeit zu verschaffen. Aber am Aktienmarkt ist abzulesen, dass die Aktie bereits deutlich abgewertet wurde. Denn mit einer Markterholung der Charterraten im Segment der Panamax-Schiffe ist in der nahen Zukunft nicht zu rechnen.
Auch die Rickmers Linie wird bei den weiterhin schwachen Frachtraten ein Zuschussbetrieb mit zusätzlichem Liquiditätsabfluss bleiben. Eine Belebung der erforderlichen Frachtraten für Stückgut und Projektladungen kann kurzfristig nicht erwartet werden.
Die Krise der Schifffahrt hält an
Selbst die großen Allianzen in der Branche, wie Maersk, Cosco und Hapag-Lloyd, müssen sich neu organisieren. Das hatte auch Rickmers geplant, ist nun jedoch gescheitert. So wurde am vergangenen Freitag bekannt, dass die am 14. April groß angekündigte Fusion der Rickmers Holding AG mit der E.R. Schifffahrt im Bereich des Shipmanagements abgebrochen wurde. Es werde, so die Ad-hoc-Meldung von Freitag, die Strategie verfolgt, die Flotte im Drittmanagement zu erweitern, Prozesse zu optimieren, Strukturen zu verschlanken und die Profitabilität zu steigern. Konkretere Aussagen wurden nicht gemacht. Fusionspläne mit anderen Unternehmen gäbe es auch nicht.
Nach einem Zusammenschluss hätte man 220 Schiffe bereedert. (Zum Vergleich: Die Flotte der Hapag-Lloyd zählt nach der Fusion mit dem arabischen Rivalen UASC knapp 240 Schiffe.) Zum 31. Dezember 2015 betrieb die Rickmers Holding das technische und teilweise kommerzielle Management für 130 Schiffe, davon befanden sich 52 Schiffe im Eigenbesitz. Mit der Fusion der beiden Unternehmen wurde die Erwartung verbunden, die Umsätze und Gewinne im Bereich Maritime Services fast verdoppeln zu können.
Doch diese Möglichkeit ist vom Tisch. Schlimmer noch: Rickmers kann noch nicht einmal Hoffnung anbieten. Schon die Prognose des Managements im letzten Quartalsbericht war zwar ehrlich, aber auch durchweg negativ. Und der Ausblick des Unternehmensratings CCC wurde nach der Untersuchung der Halbjahreszahlen 2016 bereits von stabil auf negativ geändert. Damit werden sich Banken nur schwer dazu bewegen lassen, frisches Geld zu investieren. Darauf ist Rickmers aber angewiesen, stehen doch in der nahen Zukunft Verhandlungen über neue Kredite und Darlehensrefinanzierungen an.
Neue Kredite und Verlängerungen werden schwierig
Angesichts der anhaltenden Schiffsmarktkrise mit vor sich hin dümpelnden Fracht- und Charterraten geraten zunehmend Reeder in die Lage, ihren Zins-und Tilgungszusagen nicht mehr nachkommen zu können. Das hat dazu geführt, dass sich die größten Schiffsfinanzierer Deutschlands aus der Neukreditvergabe zurückgezogen haben. Stattdessen sind sie bemüht, insbesondere alte risikoreiche Schiffskredite loszuwerden. Erschwerend kommt hinzu, dass inzwischen alle schiffsfinanzierenden Banken gezwungen sind, die Risikovorsorge für Schiffskredite weiter zu erhöhen. Zuletzt berichtete der Transportfinanzierer DVB Bank, dass sich die Vorsorge für ausfallgefährdete Kredite im ersten Halbjahr 2016 auf rund 83 Millionen Euro beläuft und damit mehr als verdoppelt hat. Viele Banken verkaufen nun ihre Schiffskreditportfolios zu Discount-Preisen an Hedge Fonds. Nur wenige Geldinstitute werden einem Unternehmen demnach Darlehensverlängerungen oder erst recht Neukredite anbieten, das sie eigentlich aus ihren Portfolien und Risikoprofilen entfernen wollen.
Das Rickmers-Management muss ein Restrukturierungskonzept für Unternehmen und Flotte erarbeiten, das Banken und Investoren auch angesichts der schwierigen Marktsituation überzeugen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Banken zumindest bei den gruppeneigenen Schiffe bei den durch den weiteren Rückgang der liquiden Mittel möglicherweise erforderlich werdenden Tilgungsstundungen bzw. -aussetzungen mitspielen, sonst droht die Verwertung der Schiffe deutlich unterhalb der mutmaßlich überzogenen Buchwerte. Sollte das nicht klappen ist zu befürchten, dass in erster Linie die Anleihegläubiger Federn lassen müssten.
Bisher gibt es allerdings keine überzeugenden Details zu Plänen der Kostenreduzierung und einer eventuellen Eigenkaptalerhöhung. So fehlen im (ansonsten schonungslosen) Halbjahresbericht klare Informationen über den „Less-for-Longer“ Deal mit Maersk und Details über den Finanzierungskunstgriff „Sale-and-Lease-Back“. Ebenfalls fehlen exakte Angaben über die geschlossenen Charterverträge nach dem Auslaufen der Erstcharter. Man gewinnt den Eindruck, als verfolge Rickmers den Plan, so weiterzumachen wie bisher in der Hoffnung, Banken und Investoren würden aus Furcht, ihr Investment zu verlieren, auch weiterhin neue Gelder investieren und die Märkte sich schneller erholen, als prognostiziert.