Eklat auf Tagfahrt der Anleihegläubiger der Scholz Holding GmbH: Vertrauensmann tritt zurück

Die dritte Tagfahrt der Anleihegläubiger der Scholz Holding GmbH am 19. Mai 2016 in Wien ist mit einem für die Anleihegläubiger mehr als unbefriedigenden Ergebnis zu Ende gegangen: Die Kuratorin wird sehr weitgehende Verzichte zum alleinigen Nachteil der Anleihegläubiger durchsetzen, die nahezu auf den Totalverlust des Anleihekapitals in Höhe von 182,5 Millionen Euro hinauslaufen.

Als Vertrauensmann und bevollmächtigter Vertreter von Gläubigern, die insgesamt über 5 Millionen Euro Anleihekapital halten, kann und will ich die faktische Enteignung der Anleihegläubiger nicht mittragen und habe vor der Abstimmung meinen Rücktritt erklärt.

Nach Ausschöpfung sämtlicher Handlungsoptionen, die den sechs Vertrauensleuten zur Verfügung standen, um im Interesse der Anleihegläubiger zu handeln und den Totalverlust zu verhindern, bleibt Anleihegläubigern jetzt nur noch die Möglichkeit, den Klageweg zu beschreiten.

Schwerer Schlag für die Anleihegläubiger: 93 % des Kapitals sind verloren

Das von der Kuratorin präsentierte Verhandlungsergebnis ihrer Gespräche mit den Banken läuft faktisch auf eine Enteignung der Anleihegläubiger hinaus:

  • Anleihegläubiger erhalten eine Einmalzahlung von 14 Millionen Euro im Herbst dieses Jahres; das entspricht 7,671 Prozent der Forderung jedes einzelnen Anleihegläubigers.
  • Zusätzlich wird ihnen ein Besserungsschein in Höhe von 5,8 Millionen Euro in Aussicht gestellt; dies entspricht weiteren 3,178 Prozent der Forderung jedes Anleihegläubigers. Dieser Besserungsschein wird jedoch nach menschlichem Ermessen niemals bedient werden.

Im Klartext bedeutet das: Es wird noch einmal 7,671 Prozent auf die Scholz-Anleihe geben – der Rest ist verloren.

Dieses Ergebnis ist ein Desaster, liegt doch die Zahlung, die die Anleger erhalten werden, noch unter den am 8. März fällig gewesenen Zinsen in Höhe von 8,5 Prozent, die auf der zweiten Tagfahrt am 16. Februar ohne jegliche Gegenleistung seitens der Scholz Holding gestundet wurden!

Die Entscheidung für die Stundung, und damit letztlich die Aufgabe des einzigen Trumpfes auf Seiten der Anleihegläubiger, hat allein die Kuratorin (bestätigt durch die zuständige Richterin) zu verantworten. Entgegen des einhelligen Votums aller Vertrauensleute und der anwesenden Anleger bewilligte sie eigenmächtig – und mitnichten im Interesse aller Anleihegläubiger – die Zinsstundung ohne Gegenleistung.

Die Bemühungen der Vertrauensleute

Alle Vertrauensleute gemeinsam haben gegen die Stundungsentscheidung das zulässige österreichische Rechtsmittel eingelegt, einen sogenannten Rekurs. Das Oberlandesgericht Wien hat ihn zurückgewiesen und obwohl die Begründung der Entscheidung nicht überzeugte, erschienen weitere Rechtsmittel dagegen nicht mehr aussichtsreich.

Die geringe Bereitschaft der Kuratorin zur Einbeziehung der Vertrauensleute wurde zudem dadurch deutlich, dass uns die Gegenzeichnung eines sehr rigiden „Maulkorbs“ abverlangt wurde (eines „non disclosure agreement“ oder kurz „NDA“). Dieser untersagte den Austausch mit den Anleihegläubigern über alles, was die Anleihe betraf. Damit war praktisch die Funktion der Vertrauensleute ausgehebelt. Ich selbst und drei weitere der sechs Vertrauensleute weigerten sich, zu unterschreiben mit der Folge, dass wir in die weiteren Verhandlungen nur noch am Rande einbezogen wurden.

Außerdem machten sich die Vertrauensleute für die Bekämpfung der Schein-Sitzverlegung der Scholz Holding GmbH (der „COMI shift“) nach England stark. Dieser diente offenkundig nur dazu, unter voller Ausnutzung der laxen britischen Insolvenzvorschriften die lästigen deutschen Gläubiger loszuwerden. In diesem Zusammenhang stellte ich im Namen eines Gläubigers beim Amtsgericht Aalen einen Insolvenzantrag. Der mit der Prüfung des COMI shifts beauftragte Gutachter kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass dieser unwirksam und das deutsche Gericht weiterhin zuständig sei. Letztlich wies das Amtsgericht den Insolvenzantrag jedoch als unzulässig zurück. Die Begründung: Durch die Eröffnung des österreichischen Kuratelverfahrens sei sowohl das Recht zur Kündigung der Anleihe als auch das Recht zur Insolvenzantragsstellung auf die Kuratorin übergegangen. Deshalb sei es einzelnen Gläubigern nicht mehr gestattet, selbst tätig zu werden und sich gegen die Enteignung zu wehren. Vielmehr seien sie dazu verdammt, den Vorgängen hilflos zuzusehen.

Individuelle Klagemöglichkeiten

Wenn Sie den Verlust von 93 Prozent Ihres Kapitals – von ausstehenden Zinsen gar nicht zu reden – nicht hinnehmen wollen, dann bleibt Ihnen nur der Weg einer individuellen Klage. Die Kanzlei Schirp Neusel & Partner bereitet derzeit Klageverfahren in Deutschland vor, die sich allerdings nicht gegen die jetzt in Wien gefassten Beschlüsse richten. Gegen diese Beschlüsse sind die Anleger leider wehrlos.

Die den Anlegern noch bleibenden Klagemöglichkeiten ergeben sich vielmehr aus der Emission der Anleihe in den Jahren 2012 und 2013, denn die damaligen besonderen Umstände begründen Schadensersatzansprüche: So enthält der Emissionsprospekt keinerlei Hinweise darauf, dass die Scholz-Gruppe auf Druck der Banken bereits im Jahre 2010, also volle zwei Jahre vor Emission der Anleihe (!), Restrukturierungsbemühungen unter Einbindung der Sanierungsberater von Roland Berger vornehmen lassen musste – ein ganz wesentliches und ernstzunehmendes Krisenzeichen. Und auch die Angaben zur Verwendung der Mittel, die über die Anleihe eingeworben wurden, sind nicht zutreffend. Die eingeworbenen Mittel wurden unter anderem dazu verwendet, ein privates, katastrophal fehlgeschlagenes Investment in Australien, durchgeführt von Oliver Scholz persönlich, aufzufangen.

Als Anspruchsgrundlage kommt durchaus auch ein Vorgehen aus Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) gegen Berndt-Ulrich Scholz und Oliver Scholz persönlich in Betracht. Denn beide Herren haben mit ihrem Namen (im Kurzprospekt sogar mit ihrem Bild) werben lassen und tragen Verantwortung dafür, dass wesentliche Informationen zu dieser Kapitalanlage verfälscht oder überhaupt nicht erteilt worden sind.

Auf der österreichischen Seite kommen die beiden Banken, die Erste Group Bank und die Raiffeisen Bank International, als Anspruchsgegner in Betracht, die sich als sogenannte „Bookrunner“ betätigt haben. Beide Banken haben sich an exponierter Stelle und zu einem Zeitpunkt einspannen lassen, als bereits mehrere deutsche Institute eine Begleitung dieser Anleihe abgelehnt hatten. Auch insoweit ist von schuldhaften Fehlleistungen auszugehen, auf die sich Schadensersatzansprüche der Anleger gründen lassen.

Die sich in Vorbereitung befindlichen Klagen sollen, sofern möglich, als Sammelklage („subjektive Klagehäufung“) geführt werden. Wenn Sie weitere Informationen über Ihre Beteiligungsmöglichkeit an einer solchen Klage wünschen, wenden Sie sich bitte an uns: Wir senden Ihnen dann weitere Informationen zu, selbstverständlich kostenlos und unverbindlich. Dabei besteht keinerlei Zeitdruck: Wir würden uns erneut bei Ihnen melden, wenn es losgeht, sofern Sie dies wünschen.

Die Behandlung der Anleihegläubiger ist ernüchternd

Abschließend möchte ich meinen persönlichen Eindruck nicht verhehlen, dass wir es bei der Scholz-Anleihe mit einer Situation zu tun hatten, die in großen Teilen zum Nachteil der Anleger durch Vorabsprachen geregelt war und dass vieles, was wir an der juristischen Oberfläche sahen, nur Vexierbilder und Schattentheater waren.

Selbst wenn man sich die schwierige Ausgangslage vor Augen hält, aus der die unbesicherten Anleihegläubiger agieren mussten: Das Ergebnis ist nur dadurch erklärbar, dass die Anleihegläubiger ihre einzig wirksame Waffe vor der Zeit und gegen ihren erklärten Willen aus der Hand legen mussten.

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp
Schirp Neusel & Partner Rechtsanwälte mbB
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