Was kann ein gemeinsamer Vertreter?

Grundlage für den gemeinsamen Vertreter ist das Schuldverschreibungsgesetz 2009, das ab dem 5. August 2009 das alte Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899 abgelöst hat. (Zugleich wurde für „alte“-Unternehmensanleihen die Möglichkeit eingeräumt, sich dem „neuen“ SchVG durch einen kollektiven Beschluss der Mehrheit der Anleihegläubiger zu unterwerfen – der sogenannte „Opt-In-Beschluss“).

Aufgaben und Stellung des gemeinsamen Vertreters von Schuldverschreibungen

Das neue Schuldverschreibungsgesetz sieht einen Katalog von „Aufgaben“ und „Befugnissen“ des gemeinsamen Vertreters vor. Die Rechte der Anleihegläubiger gegenüber dem Emittenten werden durch den zu bestellenden gemeinsamen Vertreter gestärkt und es werden ihm weitgehende Rechte eingeräumt. Der gemeinsame Vertreter kann Auskunftserteilung durch den Anleiheschuldner verlangen (§ 7 Abs. 5), Gläubigerversammlungen einberufen (§ 9 Abs. 1) und den Vorsitz auf der Versammlung führen (§ 15 Abs. 1) sowie die Leitung der Abstimmung ohne Versammlung übernehmen (§ 18 Abs. 1, 2 ).

Von dem durch das Gesetz vorgesehenen Umfang der Vertretungsmacht kann die Gläubigerversammlung mit Beschränkungen und Erweiterungen abweichen.

Eine wichtige Aufgabe des gemeinsamen Vertreters ist in diesem Kontext auch die zeitnahe Information der Anleihegläubiger (§ 7 Abs. 2 Satz 4).

Abhängig von der Art, wie der gemeinsame Vertreter in das Amt gelangt ist, unterscheidet man den sogenannten Vertragsvertreter und den sogenannten Wahlvertreter.

Vertragsvertreter

Der Vertragsvertreter wird bereits in den Anleihebedingungen festgelegt, § 8 SchVG. Diese Vorgehensweise kann Anlass zur Skepsis geben, da der Anleiheschuldner den Vertragsvertreter bestimmt und nicht die Anleihegläubiger. Ein Interessenkonflikt drängt sich auf.

Wahlvertreter

Vorzugswürdig sind daher Anleihen, in denen noch kein gemeinsamer Vertreter bestellt worden ist. Im Fall der Krise ist es der Anleiheschuldnerin möglich, auch kurzfristig eine Gläubigerversammlung einzuberufen, auf der dann auch ein auf die konkrete Krisensituation geeigneter Kandidat gewählt werden kann.

Stellung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren, vgl. auch § 19 SchVG:

Im Fall der Insolvenz des Unternehmens sieht § 19 Abs. 2 SchVG vor, dass das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung einberuft, auf der dann über die Frage entschieden werden soll, ob ein gemeinsamer Vertreter bestellt werden soll oder nicht. Für die Anleihegläubiger hat die Wahl eines gemeinsamen Vertreters den Vorteil einer gemeinsamen Interessenvertretung. Der gemeinsame Vertreter ist im Insolvenzverfahren berechtigt und verpflichtet, die Rechte aller Gläubiger geltend zu machen, § 19 Abs. 3 SchVG. Der gemeinsame Vertreter kann aufgrund der Bündelung der Interessen der Orderschuldverschreibungsgläubiger maßgeblich zu einer zügigen und beschleunigten Abwicklung der Forderungsanmeldung und Abwicklung der Forderungen ggf. durch Abschlagsverteilungen beitragen. Das zeit- und kostenaufwändige Anmeldungsverfahren kann hierdurch erheblich erleichtert werden. Insbesondere muss der gemeinsame Vertreter bei der Forderungsanmeldung keine Originalschuldurkunde vorlegen.

Der Gesetzgeber hat diese Regelung wie folgt begründet: „Diese strenge gesetzliche Anordnung erscheint gerechtfertigt, um ein Insolvenzverfahren auch unter Beteiligung einer sehr großen Anzahl von Anlagegläubigern rechtssicher und zügig durchführen zu können und dabei die Gleichbehandlung der Gläubiger zu gewährleisten“ (BT-Drucksache 16/12814 S. 25).

Der gemeinsame Vertreter haftet den Gläubigern von Gesetzes wegen für die ordentliche und gewissenhafte Erfüllung seiner Aufgaben, § 7 Abs. 3 SchVG.

Anforderungen an die Qualifikation des gemeinsamen Vertreters

Prinzipiell kann jede geschäftsfähige Person oder sachkundige juristische Person zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden, vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 SchVG .

Unabhängig von diesen gesetzlichen Anforderungen ist es sinnvoll, bei der Wahl des gemeinsamen Vertreters auf die Befähigung hinsichtlich der tatsächlich anstehenden Aufgaben zu achten. Der gemeinsame Vertreter soll insbesondere in der Krise des Unternehmens wesentliche Entscheidungen treffen und die Nachhaltigkeit von Sanierungsmaßnahmen prüfen und beratend begleiten, um für die Anleihegläubiger das bestmögliche Verhandlungsergebnis zu erzielen. Hierzu ist eine entsprechende Sachkenntnis erforderlich, die der gemeinsame Vertreter am Besten sowohl durch seine Berufsausbildung als auch durch seine berufliche Tätigkeit dokumentieren kann.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass der gemeinsame Vertreter die Interessen der Anleihegläubiger angemessen vertritt und nicht im „Lager“ der Anleiheschuldnerin steht, da diese häufig widerstreitende Interessen haben.

Aus diesem Grund stehen wir einem Vertragsvertreter per se sehr kritisch gegenüber, da dieser vom Anleiheschuldner vorgegeben ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser sich in einem Interessenkonflikt befindet. Zwar normiert auch § 7 SchVG gesetzliche Offenlegungspflichten im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte. Das beseitigt aber nicht den Interessenskonflikt, der im Kern schon angelegt ist, nämlich dass der Vertragsvertreter seine Stellung der Gegenseite verdankt. Wir meinen aber, dass es unabhängig von diesen Offenlegungspflichten ein sehr wichtiges Kriterium für den gemeinsamen Vertreter ist, dass dieser ausschließlich im Sinne der Anleihegläubiger tätig wird.

Kosten des gemeinsamen Vertreters

Die durch die Bestellung des gemeinsamen Vertreters entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters, trägt der Schuldner, vgl. § 7 Abs. 6 SchVG. Dieser einfache Satz birgt einige Schwierigkeiten. § 7 Abs. 6 SchVG. Zum einen ist umstritten, was unter einer angemessenen Vergütung zu verstehen ist. Dies ist zum einen von der Qualifikation des gemeinsamen Vertreters, dem Volumen der vertretenen Forderungen und dem Umfang seiner Tätigkeit abhängig. In der Praxis einigen sich der Schuldner und der gemeinsame Vertreter häufig im Vorfeld der Bestellung. Sofern für den gemeinsamen Vertreter eine berufsrechtliche Vergütungsverordnung besteht – wie beispielsweise das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – kann dies ein Anhaltspunkt für eine angemessene Vergütung sein.

Unabhängig von der angemessenen Vergütung sind auch die Kosten und Aufwendungen des gemeinsamen Vertreters vom Schuldner – und nicht von den Anleihegläubigern – zu tragen.