Know how: Was sind noch mal Anleihen?

In letzter Zeit liest man viel über Anleihen, Schuldverschreibungen und Genussrechte. Aber was ist das eigentlich?

Von der Idee her unterscheidet sich eine Anleihe zunächst einmal nicht allzu sehr von einem Darlehensvertrag: Der Anleihegläubiger zahlt einen bestimmten Betrag an einen Emittenten.

  • Emittent ist derjenige, der die Anleihe ausgibt, z.B. die öffentliche Hand (Staatsanleihen) oder ein Unternehmen (Unternehmensanleihen). Er ist Anleiheschuldner.
  • Den Vorgang des Ausgebens einer Anleihe nennt man Emission.
  • Anleihen werden verbrieft, um sie handelbar zu machen, d.h. es wird eine Urkunde über die Anleiheforderung ausgestellt.
  • Der Anleger ist Anleihegläubiger.
  • Die Anleihe stellt Fremdkapital dar wie ein normales Bankdarlehen auch. Deshalb können Anleihegläubiger in der Insolvenz ihre Ansprüche anmelden (anders als Zeichner geschlossener Fonds).

Im Gegenzug ist der Emittent verpflichtet, an den Anleihegläubiger Zinsen zu zahlen und zu einem bestimmten Datum den gesamten Anleihebetrag zurückzuzahlen. Wie bei einem Darlehensvertrag auch fungiert der Gläubiger der Anleihe mithin als Fremdkapitalgeber. Der Anleihegläubiger steht dem Emittenten damit als unabhängiger Dritter gegenüber, er ist nicht Gesellschafter des emittierenden Unternehmens. Insofern unterscheidet sich der Erwerb einer Anleihe wesentlich von der Zeichnung eines geschlossenen Fonds oder dem Erwerb von Aktien: Wer sich als Kommanditist an einem geschlossenen Fonds beteiligt, ist Gesellschafter des Fonds und zahlt folglich Eigenkapital in den Fonds ein, nicht Fremdkapital. Gleiches gilt für einen Aktionär: Wer Aktien erwirbt, ist Gesellschafter der Aktiengesellschaft. Auch er zahlt Eigenkapital ein, nicht Fremdkapital. Das hat zum einen zur Folge, dass Anleihegläubiger keine Gesellschafterrechte haben, insbesondere keine Stimmrechte und keine Einsichtsrechte in die Buchhaltung. Zum anderen aber werden sie im Falle einer Insolvenz des emittierenden Unternehmens besser gestellt als die Gesellschafter. Gesellschafter können keine Forderungen als Insolvenzgläubiger anmelden, sie gehen im Falle der Insolvenz des Fonds oder z.B. der Aktiengesellschaft leer aus. Anleihegläubiger hingegen können ihre Forderungen anmelden und dürfen folglich auch mit einer Insolvenzquote rechnen. Von einem normalen Darlehensvertrag unterscheidet sich ein Vertrag über eine Anleihe hauptsächlich dadurch, dass die Forderung des Anleihegläubigers in einem Wertpapier verbrieft wird und damit leichter handelbar ist.

Anleihen werden auch als Schuldverschreibungen bezeichnet. Sie lassen sich hauptsächlich unterteilen in Inhaber- und Namensschuldverschreibungen sowie in Orderschuldverschreibungen.

Inhaber-, Namens- und Orderschuldverschreibungen

Namensschuldverschreibungen werden auf einen bestimmten Namen ausgestellt, während Inhaberschuldverschreibungen zu Gunsten des jeweiligen Inhabers gelten. Der Vorteil einer Inhaberschuldverschreibung besteht darin, dass sie leichter zu handeln ist als eine Namensschuldverschreibung. Der Nachteil hingegen wird offenkundig, wenn die Schuldverschreibungsurkunde ihrem Inhaber abhandenkommt. In dem Fall kann der Emittent auch an jeden  neuen Inhaber der Urkunde zahlen und wird damit von seinen Verpflichtungen frei.

Orderschuldverschreibungen wiederum nehmen eine Stellung zwischen Namens- und Inhaberschuldverschreibungen ein. Sie werden auf den Namen des Erwerbers ausgestellt, sind aber dennoch handelbar. Der spätere Erwerber wird im Rahmen eines Übertragungsvermerks (Indossaments) ausgewiesen, so dass der Emittent weiß, dass er an diesen leisten kann und muss.

Besonderheit: Genussrechte und Genussscheine

Ob Genussrechte und Genussscheine zu den Schuldverschreibungen und damit zu den Anleihen zählen, ist umstritten. Das liegt insbesondere daran, dass gerade diese Rechte sehr unterschiedlich ausgestaltet werden können.

Sehr unübersichtlich wird das Thema aber auch dadurch, dass in der Literatur die Begriffe Genussrechte und Genussscheine nicht einheitlich gebraucht werden. Teilweise werden sie als Synonyme angesehen, teilweise als Antonyme. Eine gesetzliche Definition gibt es nicht, Genussrechte werden allenfalls an einer Stelle im Aktiengesetz erwähnt, ohne dass sie dort definiert würden. Richtig wäre es wohl, Genussscheine als verbriefte Genussrechte zu definieren. „Genussrechte“ wäre dann entweder der Oberbegriff über verbriefte und unverbriefte Genussrechte oder aber er würde nur die unverbrieften Genussrechte als Gegenstück zu den Genussscheinen erfassen. Wir verwenden Genussrechte als Oberbegriff.

Die vertragliche Ausgestaltung von Genussrechten ist sehr unterschiedlich. Manchmal sind die Genussrechtsbedingungen so gefasst, dass die Genussrechte weitgehend einem Darlehen ähneln. Wenn sie dann auch noch in einer Urkunde verbrieft sind und gehandelt werden können, dürften keine Bedenken bestehen, sie unter den Begriff der Anleihen zu fassen. Mitunter sind die Genussrechte aber in keiner Urkunde verbrieft und können nicht gehandelt werden oder es ist in den Bedingungen geregelt, dass die Genussrechteinhaber auch an Verlusten des Emittenten beteiligt werden (ähnlich Gesellschaftern). Ob Genussrechte in diesen Fällen auch als Anleihen angesehen werden können, ist noch weitgehend ungeklärt.

Vertragliche Ausgestaltung von Anleihen

Die konkrete Ausgestaltung des Anleihevertrags findet durch die Anleihebedingungen statt. Anleihen unterscheiden sich nach der Laufzeit des Vertrages, den Kündigungsmöglichkeiten, der Höhe des vereinbarten Zinses, auf den der Anleihegläubiger Anspruch hat, etc. Zudem ist teilweise in den Anleihebedingungen vorgesehen, dass Gläubigerversammlungen einberufen werden können, um einen gemeinsamen Vertreter für alle Anleiheinhaber zu wählen. In anderen Fällen wird sogar schon ein gemeinsamer Vertreter von dem Emittenten bestimmt. Wichtig ist, dass alle Anleihegläubiger gleich behandelt werden müssen.